Modebureau Silke Bücker

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Diesen Sommer lohnt es sich, den Blick zu senken: In der Mode dreht sich alles um die zwanzig Zentimeter zwischen Wade und Fußsohle. Zehn Tipps, wie man den Trend richtig in Szene setzt

Seiner Zeit voraus zu sein erfordert Leidensfähigkeit. So quälen sich Modemenschen wie die J.Crew-Designerin Jenna Lyons seit Monaten auch bei Regen und Wollsockentemperaturen mit einem Trend, für den die Angelsachsen bereits einen Namen gefunden haben: „flanking“, eine Wortmixtur aus „flashing“ und „ankle“, frei übersetzt: Knöchel-Exhibitionismus. Lyons und ihre Leidensgenossinnen tragen all die übermodernen Siebenachtelhosen beinhart ohne Strümpfe – und machen so die Fessel zum neuen Dekolleté. Zu den Hochwasserhosen trägt man Römersandalen oder Riemchenstilettos. Da es bei so viel nackter Haut in Bodennähe schnell unappetitlich wird, folgen ein paar Tipps, wie man von Fuß zu Fuß toll aussieht.

Eine Warnung vorweg

Fesseln zählen zu den schmalsten Stellen des Körpers. Warum ausgerechnet sie als erogene Zone gelten, erklärt die Modetheoretikerin Barbara Vinken damit, dass sich von ihnen Rückschlüsse auf die gesamte Anatomie ziehen lassen. Wer kräftige Fesseln besitzt, ist in der Regel auch sonst stämmig gebaut. Das Gemeine: Kräftigen Fesseln kann man weder mit Joggen oder Yoga noch mit gesunder Ernährung zu Leibe rücken und muss akzeptieren, was die Natur vorgegeben hat. Für manche sollte daraus folgen, sich lieber nicht in die Flankingwelle zu stürzen – und stattdessen lieber andere, besser gelungene Körperteile zu betonen.

Zu einem Achtel entblößt

Auf den Schauen in Paris oder Mailand versuchen Modedesigner heute nur noch selten, mit nackter Haut zu schocken. Viel mehr übt man sich an der schwierigeren Kunst der subtilen Verführung, indem man wenige, dafür aber die richtigen Stellen entblößt. Die Fessel eignet sich dafür perfekt: Sie zu betonen heißt, etwas anzudeuten. Die Fessel vermittelt eine Ahnung von dem gesamten Bein, das sich unter Rock oder Hose verbirgt. Die Designer jedenfalls sind ihr seit einigen Saisons verfallen. Pionierin ist Isabel Marant, die seit Jahren verschiedenste Kombination aus verkürzten Skinny Jeans und High Heels vorführt. Zu den beliebtesten Alternativen zum Marant-Look gehört die kurz über den Knöcheln endende Siebenachtelhose: Man greift sich entweder eine weite Levi’s und krempelt sie hoch, oder das Modell von Stella McCartney mit Cut-outs am Saum, die noch mehr Einblick gewähren. Der Look ist mit Sneakern, Sandalen oder Schnürschuhen leicht zu stylen.

Culottes und Co.

Schwieriger wird’s mit Culottes, den Hosenröcken, die bis zu den Waden reichen, zum Beispiel von Hermès. Die dürfen nur mit hohen Schuhen getragen werden, es sei denn, Sie heißen Karlie Kloss und arbeiten als Model. Vollblut-Modeinteressierte grübeln wahrscheinlich schon seit Monaten darüber, wie sie die verkürzten Samtschlaghosen von Louis Vuitton kombinieren, ohne zehn Zentimeter kleiner und fünf Kilo dicker auszusehen. Wieder heißt die Lösung: Hohe Schuhe mit Riemchen-Verschluss. Zum Glück bereitet der wunderbare Midi-Rock (reicht bis kurz unter die Wade) kaum Kopfzerbrechen. Das neonblaue Modell mit orangefarbenen Kreisen von Roksanda schwingt locker um die Fesseln, bei Erdem schimmern sie unter Spitze und Blumenstickereien hervor.

Fest verbandelt

Wer die neueste Flanking-Schuhmode tragen möchte, sollte Zeit zum Anziehen einrechnen. Die schönsten Schuhe der Saison betonen die Fessel nämlich mit allen erdenklichen Mitteln, die sich nicht immer als praktisch erweisen. Bei Valentino und Chloé haben die Sandalen dünne Bänder, die überkreuzt bis hoch zum Knie, mindestens aber bis zur Wade gebunden werden. Bei den Hippie-inspirierten Riemchensandaletten von Etro werden sie mehrmals um die Fesseln gewickelt und hinten mit einer Fransentroddel verziert. Achtung: Bei den schnürintensiven Römersandalen wird die Wade durch die Bänder in verschiedene Abschnitte unterteilt. Dabei quillt das Fleisch oft unschön heraus, das Bein wird zudem optisch verkürzt, weswegen diese Schuhe vor allem zu besonders schlanken Fesseln und Waden passen – und die Eingangswarnung besonders ernst zu nehmen ist. Etwas vorteilhafter sind Plateau-Sandalen wie jene von Saint Laurent und Miu Miu, die mit einem Riemchen an den Fesseln oder am Knöchel geschlossen werden. Durch den Plateau-Absatz wirkt die Fessel schmaler.

Lack dran

Fürs Gesicht mag der Nude-Look weiterhin Trend sein, für das Fußvolk empfiehlt sich Hightech in Form von Shellac in eisigen Pastelltönen oder Metallic. Unter normalen Alltagsbedingungen erweist sich diese auch von Rihanna, Victoria Beckham und Lady Gaga einhellig geschätzte Nagellackvariante als absolut stoß- und kratzfest, und hält auf den Fußnägeln bis zu drei Wochen. Mit dem Schellack mit K, dem Vorläufer des Vinyls, hat das Produkt allerdings nichts gemein. Während die Oldschool-Tonträger unter anderem aus Schiefermehl, Ruß und Baumwollflock bestanden, basiert Shellac auf einer patentierten Formel. Er sieht so aus wie normaler Lack, hält aber so lange wie Nägel aus Gel. An dem richtigen Mix hat die kalifornische Firma CND vier Jahre lang getüftelt. Shellac wird in vier Schichten, Unter- und Überlack sowie zwei Lagen Farbe aufgetragen, das Trocknen unter der UV-Lampe dauert jeweils zwei Minuten. Ablösen lässt sich der Lack nur mit einer speziellen acetonhaltigen Tinktur.

Güldene Fußfessel

Nun liegt die Idee nahe, das neue Modekörperteil Fessel mit Schmuck zu verschönern, zum Beispiel in der Art, wie er kürzlich bei der Hochzeit im 1788-Zimmer-Palast des Sultans von Brunei zu sehen war. Ein Sohn des Hauses, Prinz Abdul Malik, heiratete die IT-Spezialistin Raabi’atul Adawiyyah. Diese trug zur Feier kristallbesetzte Louboutins – und dazu einen abschleppseildicken goldenen Fußreif, der sehr an eine Fußfessel erinnerte. Achtung: Beim Alltags-Flanking ist Purismus angesagt. Die Riemchen vom Schuh tun es vollauf als Zierrat. Diese gibt es bei überbordendem Prunkbedürfnis auch in Silber oder Gold.

Zwei Pflegefälle

Füße sind Pflegefälle. Das hat endlich auch das Unternehmen Clarisonic erkannt, das bereits seit 2001 oszillierende Beauty-Bürsten für Gesicht und Körper vertreibt. Seit Kurzem hat die Firma nun ein „Pedi-Kit“ im Sortiment, zu dem ein Ultraschallgerät mit zwei verschiedenen Aufsätzen gehört. Mit dem einen lassen sich die rauen Stellen eliminieren, der andere dient dem etwas sanfteren Peeling. Clarisonic verspricht anhaltend weiche und gepflegte Füße bei zweimaliger zehnminütiger Anwendung pro Woche.
Mehr als fürs Gesicht, für das täglich eine Minute reicht. Kostenpunkt: 199 Euro. Es geht natürlich simpler. Als Minimalprogramm empfiehlt sich (auch für Männer): Nägel mit Knipser, Schere und Mineralfeile in Form bringen, Hornhaut mit Peeling, Creme oder Bimsstein entfernen, dem Haarwuchs mit Wachs, Epiliergerät oder Rasierer beikommen.

Detox per pedes

Noch so ein zeitgemäßes Fußprodukt sind die Detox-Fuß-Pads „Dream on!“, die man sich vor dem Schlafengehen unter die Fußsohlen klebt. Mittels Bambusessig, Eukalyptusbaumreben, Agaricus-Pilzen und schwarzen Tumalin-Steinen sollen sie Reflexzonenpunkte stimulieren, die Entgiftung ankurbeln und so unter anderem gegen Müdigkeit helfen. Für Naturheilkundler klingt das plausibel. Sie begreifen Füße als „Hilfsnieren“, weil über die Sohlen viele Stoffwechselendprodukte ausgeschieden werden.

Barfuß, Baby!

Physiotherapeuten und Orthopäden raten zum Barfußlaufen. Hier noch ein paar lustige Übungen: Zehen abwechselnd krümmen und strecken sowie jeden Zeh einzeln bewegen. Anschließend mit den Zehen nach verschiedenen Gegenständen greifen und so lange wie möglich festhalten. Dann ein paar Minuten auf Zehenspitzen laufen und die Füße heben und senken, ohne die Fersen abzusetzen. Zum Finale dürfen Sie sich selbst applaudieren – mit den Füßen.

Stehen Sie zur Fußliebe

2015 ist also ein ideales Jahr für Fußfetischisten – laut Sexualforschern übrigens eine der größten Gruppen unter den Menschen mit außergewöhnlichen erotischen Vorlieben. Einige von ihnen finden bestimmt Gefallen an den nach Latex aussehenden Lederstrümpfen aus der aktuellen Jil-Sander-Kollektion. In Berlin haben wir kürzlich eine junge Frau mit Latexstulpen aus dem Erotikbedarf gesichtet, die freien Blick auf den Fußrücken gewährten. Ganz klar: Der Spann hat das Zeug zum neuen Trendkörperteil. Spanner, aufgepasst.

WELT AM SONNTAG, MAI 2015