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Nadelstiche sorgen für die Aktivierung der Regenerationskräfte, Farn ist die neue Waffe gegen das Altern: Sieben Trends aus der natürlichen Kosmetik

Kosmetik auf natürlicher Basis ist gefragt. Und sie ist ein gutes Geschäft: 2014 wurden in Deutschland über eine Milliarde Euro mit Naturkosmetik erwirtschaftet. Kein Wunder, dass auch die großen Beautykonzerne und Luxushersteller in ihrer Forschung verstärkt auf Wirkstoffe setzen, die aus Pflanzen gewonnen werden. Yves Saint Laurent Beauté (gehört zu L’Oréal) nutzt die Anti-Aging-Wirkung von Safran aus dem marokkanischen Atlasgebirge, Dior den Nektar der Rose von Granville. Trotzdem hat pflanzliche Kosmetik immer noch mit dem Vorurteil zu kämpfen, man könne den Zeichen der Zeit spätestens ab 40 mit natürlichen Kräften nicht mehr beikommen und gegen Gemeinheiten wie Falten, Hauterschlaffung und Pigmentflecken helfen nur synthetische Mittel. Dabei braucht der Körper manchmal nur einen Schubs, um seine eigenen Regenerationskräfte zu aktivieren.

Für Hartgesottene

Beim Micro-Needling, einem Anti-Aging-Verfahren für Gesicht und Hals, motiviert man die mit dem Alter etwas schwächelnden Zellen zu neuer Aktivität. Ein etwas schmerzhafter Prozess, denn die Haut wird mit einem Lifting-Pen – einer Art Kugelschreiber, der an der Spitze mit zwölf Nadeln bestückt ist – partienweise bearbeitet. Circa tausend Mal pro Minute dringen die haarfeinen Nadeln 0,5 Millimeter in die Haut ein. Das Ergebnis: ein frischer Teint, aufgepolsterte Mimikfalten, unsichtbare Poren und weniger Pigmentflecken. Wie es funktioniert? Wird die Haut verletzt, will sie gesunden. Der Selbstheilungsprozess kommt in Gang und löst wiederum die Neubildung von Collagen, Hyaluronsäure und Elastin aus. Zusätzlich werden von außen biochemisch aufbereitete Anti-Aging-Booster eingeschleust. Schon am nächsten Morgen sieht das Gesicht deutlich frischer und praller aus. Legt man sich im Abstand von vier Wochen vier bis sechs Mal unter die Nadeln, wird man mit einem Pfirsich-Teint belohnt, der bis zu drei Jahre anhalten soll. Dass es wirkt, hat die Autorin persönlich erprobt – sie wird seither öfter mal einige Jahre jünger geschätzt. Kosten pro Behandlung: circa 120 Euro.

Weniger ist mehr

Viel hilft viel? Mitnichten. Deutlich entspannter ist: das Weglassen kultivieren. Denn auch mit dem Minimal-Prinzip, das Dr. Hauschka schon vor über 75 Jahren etabliert hat, werden die Regenerationskräfte der Haut angeregt. So gilt beim Naturkosmetik- Veteranen aus Bad Boll ein striktes Nachtcreme-Verbot. Lediglich ein leichtes Tonikum unterstützt die Haut dabei, während des Schlafs selbstständig in die Erholung zu gehen. Neu auf dem Markt ist die neuseeländische Kosmetik-Linie Sans Ceuticals, die ebenfalls mit dem Ansatz der Reduktion arbeitet. Der „Activator“ etwa ist ein Multifunktionsöl auf Vitamin-A-Basis, das zelleigene Reparaturprozesse wieder anstößt und praktischerweise für Gesicht, Körper und die Haare verwendet werden kann.

Ausbalancieren mit Öl

Natürliche Öle, gepresst aus Samen oder Nüssen, sind dem Eigenfett der Haut sehr ähnlich, so dass sowohl bei trockener und sensibler, als auch bei unreiner Haut ein Öl genau die richtige Maßnahme sein kann. Die Naturkosmetik unterscheidet „nicht trockene“, reichhaltige Öle (zum Beispiel Avocado, Macadamia) mit mehr gesättigten Fettsäuren, die sich vor allem für fett- und feuchtigkeitsarme Häute eignen, und „trockene“ Öle mit einem hohen Anteil ungesättigter Fettsäuren für unreine Haut. Die nämlich kommt von einer zu starken Talgproduktion, die sich beispielsweise mit Aloe-Vera- oder Gurkensamenöl gut regulieren lässt. Der Trick: Wird von außen Öl zugeführt, reagiert der Körper und drosselt automatisch seine Fettproduktion. Von Susanne Kaufmann Kosmetik gibt es für diesen Hauttyp ein ausgleichendes Gesichtsöl mit Argan, Aprikosenkernen und Granatapfel. Für das andere Extrem, die sehr trockene oder schuppige Haut, empfiehlt sich das „Skin Rescue Oil“ von The Organic Pharmacy. Wirkt mit Vogelmiere, Nachtkerze und dem Tamanu-Teebaum-Extrakt.

Grünes Gold

Dass Pflanzen mitunter hochpotente regenerative Energien aufweisen, macht sie so spannend für die Kosmetik. So meldete der Münchener Dermatologe Timm Golueke für seine Anti-Aging-Serie „Royal Fern“ nach vier Jahren Forschung einen aus Farn gewonnenen Naturstoffkomplex gegen die Hautalterung zum weltweiten Patent an. Dabei sollen die Blätter der Pflanze, die seit über 400 Millionen Jahren immergrün auf der Erde gedeiht, Benefits wie Zellschutz, eine Anregung der Collagenbildung sowie eine antioxidative und feuchtigkeitsregulierende Wirkung bieten.

Das zweite aufregende Grün kommt aus dem Meer: „Algen haben nachweislich hochinteressante Mechanismen zum Schutz vor schädigenden Umwelteinflüssen. Aus ihnen lässt sich ein Enzym gewinnen, das durch UV-Strahlung verursachte DNA-Schäden wieder reparieren kann“, erklärt die Münchner Dermatologin Alexandra Ogilvie. Algen wirken beispielsweise in der „Universal Mask“ von Dr. Alkaitis.

Bodyguard der Zellen

Verlockende Kräfte wohnen auch Stammzellen inne, die als „Schlüssel zur Jugend“ angepriesen werden. Tatsächlich leisten sie Überdurchschnittliches: Im Gegensatz zu bereits spezialisierten Zellen können sie sich endlos teilen und jeder Zellstruktur anpassen. „Von außen zugeführte pflanzliche Stammzellen schützen die Stammzellen im menschlichen Körper. Dadurch entsteht eine altersverzögernde Wirkung“, sagt Melanie dal Canton, Inhaberin des Berliner Beauty-Conceptstore MDC Cosmetics. Gewonnen werden Phyto-Stammzellen aus besonders robusten Pflanzen – bei der amerikanischen Marke Intelligent Nutrients sind das Edelweiß, Echinacea und der asiatische Wassernabel, besser bekannt als Tigergras. Der französische Anbieter Absolution nutzt die Urzellen des Blauen Lotus für seine Augencreme.

Fäkalien-Facial

Nachtigallenkot für einen strahlenden Teint? In Japan reicht die Geschichte des sogenannten „Geisha Facial“ bis zurück ins 17. Jahrhundert. Heute schwören angeblich Victoria Beckham und Tom Cruise auf das seltsame Beautytreatment. Die Singvögel, welche die wertvollen Fäkalien produzieren, werden auf speziellen Farmen gezüchtet und ausschließlich mit pflanzlichen Samen ernährt. Zur Verwendung in einer Beauty-Behandlung, die sich der New Yorker Shizuka Spa mit 180 US-Dollar teuer bezahlen lässt, werden die Exkremente getrocknet und pulverisiert, dann mit Wasser angerührt und aufgetragen. Die Wirksamkeit lässt sich wissenschaftlich nicht wirklich belegen. Doch zumindest ein Inhaltsstoff gilt als wirksam: Aufgrund ihrer Anatomie differenziert die Nachtigall nicht zwischen festen und flüssigen Ausscheidungen, so enthält das „Geisha Facial“ den in der Kosmetik wohlbekannten Harnstoff (Urea), welcher nachweislich den Feuchtigkeitsgehalt der Haut reguliert.

Die rohe Wahrheit

Farbe gefällig? Klar, aber roh und rein muss sie sein, dachte sich die Visagistin Rose-Marie Swift, die sich aus gesundheitliche Gründen von herkömmlichen Make-up-Produkten abwandte. Bei der von ihr entwickelten Produktlinie RMS Beauty bedeutet das, dass die pflanzlichen Inhaltsstoffe nicht über 38 Grad erhitzt werden, was ungefähr der Normaltemperatur der menschlichen DNA entspricht. Enzyme, Vitamine und andere Nährstoffe bleiben unversehrt. „Man könnte die Produkte sogar essen“, sagt Melanie dal Canton. Zu den Fans von RMS Beauty zählen Doutzen Kroes, Miranda Kerr und Gisele Bündchen. Firmen wie Louis Vuitton oder Victoria’s Secret nutzen die Make-up-Linie für ihre Defilées.

NATURGEWALTEN

Welt am Sonntag, Mai 2015