Modebureau Silke Bücker

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Flexibilität avanciert zum Leitmotiv unserer Zeit, Bewegung ist der Motor für Erfolg, Relevanz, Bedeutsamkeit. Gleichermaßen sehnen sich die Menschen nach einem Moment, in dem sie sich zumindest für einen Augenblick verlieren können.

Die Zeit anhalten, innehalten. Diese Taktung lässt sich auf die unterschiedlichsten Lebensräume und Genres übertragen. Konsumgüter oszillieren zwischen Slow Food und Speed Shopping. Gleich welche Branche: Der stationäre Handel ist aufgefordert sein Angebot und vor allem die Art der Darbietung einer Gesellschaft anzupassen, der es nicht schnell genug gehen kann und die nur bremst, wenn sie etwas sieht, das sie in der Weise noch nicht wahrgenommen hat.

Bleiben wir im Modehandel. Mehr denn je gilt es, beinahe zwanghaft mit sämtlichen Regeln zu brechen. Wie das funktioniert, Stilbrüche an der Grenze des guten Geschmacks zu kultivieren, Aufmerksamkeit um jeden Preis zu erregen, zeigen uns die Taktgeber der hohen Schneiderkunst.

Das Pariser Designer-Kollektion Vetements rund um den neuen Balenciaga-Kreativchef Demna Gvasalia fokussiert Themen wie Recycling und DIY von Archetypen der jüngeren Popkultur mit einer exzentrischen Formensprache. Seine Patchwork-Jeans, übergroßen Lederjacken mit Ärmeln bis zu den Knien oder Blümchenkleider mit Plastikhandschuhen gelten aktuell als Signature Pieces kontemporärer Mode-Stilistik. Und die Shows in zwielichtigen Bars oder trashigen China-Restaurants avancieren zum »Hot Ticket« der Pariser Modewoche.

Ein anderes Beispiel: Saint Laurent, wo Hedi Slimanes radikaler Paradigmenwechsel hin zu banalen, aber elementaren Codes der Undergroundszene korreliert mit präzise umgesetztem Rock’n’Roll-Image – die Umsatzsteigerung folgte prompt. Ein Ziel, das auch Gucci mit seinem neuen Chefdesigner Alessandro Michele verfolgt. Zwischen maskulin und Granny Chic und einer eigensinnigen Auffassung von Glamour kultiviert Michele ein exzentrisch-schillerndes Frauen- und Männerbild. Und plötzlich lösen lederne Luxus-Pantoffel mit Kängurufell-Futter bei der informierten Modekäuferin ein unbändiges Verlangen aus. So funktioniert heute Mode, so muss sie gespielt werden. Auffällig, aufregend, spannungsgeladen auf der einen, berührend, nahbar und heimelig auf der anderen Seite. Keine Frage, auf die Spitze getriebene Schauen sind nicht alltagstauglich.

Und doch geben sie eine Richtung vor. Der Händler wird zum Geschichtenerzähler. Und wie in Paris gilt es aus verschiedenen Komponenten den Inhalt zu kreieren, der fesselt und verführt. Der Innenarchitektur kommt neben ihrem klassischen Gestaltungsauftrag eine neue Rolle zu, vergleichbar mit der des Bühnenmeisters am Theater, der mit klugen Überlegungen seine Aufzüge und Abläufe zusammenstellt. Was im Theater die immer neuen Kulissen, sind im Handel die sich ändernden Warenbilder und Inszenierungspunkte. Hier eröffnen durch Schienensysteme flexible Wand- und Deckenabwicklungen ganz neue Möglichkeiten. So werden mehrere Funktionsebenen für ein abwechslungsreiches Cross Merchandising geschaffen.

Cleverer Pragmatismus begegnet also dem rasanten Tempo unserer Zeit, um identitätsstiftende Warenthemen zu ermöglichen. Pointiert, weil kuratiert. Ein Prinzip, das die naturgegebene Neugier des Menschen anregt, mit allen Sinnen spielt und schließlich dauerhaft ein Raumgefühl schafft, das man nur ungern wieder verlässt, um in den Alltag hinaus zu eilen. In Zeiten von 24/7 verfügbarem E-Commerce muss sich der lokale Einzelhändler ständig neu erfinden, http://silkebuecker.de/wordpress hervorragend beraten und die Klaviatur der Social Media-Kanäle meisterlich spielen. Denn nach wie vor sind die Vorteile des stationären Handels das haptische Erlebnis und die echten Begegnungen.

Eine reale Szenerie empfinden wir auch deshalb als aufregend, weil die schnelle Taktung die Begehrlichkeit erhöht. Im gleichen Maße wächst der Anspruch des http://silkebuecker.de/wordpress an etwas Neues. Schizophrenerweise, da er sich im Grunde nach Entschleunigung und Leere sehnt. Denn Kanäle wie Instagram oder Pinterest überfluten die Welt mit ihren Bildern, was die Reizschwelle unwillkürlich höher schraubt. Was berührt, muss zumindest prägnant, besser noch provokant sein.

Nachhaltige Bindung gelingt am besten durch die Kombination aus kuratiertem Sortiment, ein auf- und anregendes Visual Merchandising, ein Ambiente, das gleichermaßen vertraut wie mitreißend anmutet, die unkonventionelle Art von Styling und Stilwelten und nicht zuletzt durch die Persönlichkeit, Überzeugungskraft und Kompetenz der Menschen, die beraten und verkaufen. Im Streben nach dieser perfekt austarierten Symbiose haben es kleine Einzelhändler, die jeden http://silkebuecker.de/wordpress noch mit Handschlag begrüßen können, deutlich leichter als Multibrand-Häuser, die mehr Waren, Fenster, Gadgets und Flächen zu gestalten haben. Die es mit einer Komplexität zu tun haben, die zwangsweise einer pragmatischen Grundstruktur bedarf und dennoch das besondere Flair der kleinen Boutique in multiplizierter Form verströmen soll.

Dabei sind Flexibilität und Dynamik nicht nur am POS gefragt, sondern auch in der Kreation. Raf Simons begründete zuletzt seinen überraschenden Weggang bei Dior gegenüber dem Fachmagazin ›Business of Fashion‹, mit der rasanten Taktung, die inzwischen gefordert sei und die seiner Philosophie letztlich widerspreche. Denn de facto bleiben bei den einflussreichen Designhäusern oft nicht mehr als drei Wochen Zeit für die Erschaffung einer neuen Kollektion, was es nahezu unerlässlich macht, sich einer Methodik zu bedienen, die Innovation ermöglicht, ohne jedes Mal bei Null beginnen zu müssen. Schaut man sich derzeit etwa Kollektionen von Valentino, Givenchy oder Alexander McQueen an, wird schnell offenkundig: Silhouette und Stilistik bleiben im Grundsatz über die Saisons hinweg gleich, lediglich Tonalität, Pattern, Details, die relevanten Nuancen eben, werden stetig modifiziert.

Eine neue Rationalität, die ankommt. Denn hier erfolgt die tatsächliche Entschleunigung: Neues wollen, Vertrautes bekommen. Konsum entspannter zu gestalten, selbstverständlicher und zielsicherer. Manch einem mag das zu einfach erscheinen. Aber letztlich liegt die große Kunst moderner Konzepte in der Evolution. Und nicht in der Revolution, das System von Mensch und Maschine zu überfordern.

Blocher Blocher Magazine 2016